Der Proll

Kulturgeschichte eines Klischees
Feature (54’35 Min.)
SWR 2 Vor Mitternacht (Ursendung: 15.01.2006, 23:03)
Regie: Iris Drögekamp. Sprecher: Sascha Icks, Gerhard Pieske und Tom Zahner. Mit Tom Gerhardt, Dietrich Mühlberg, Wolfgang Kaschuba und echten Mantafahrern.


Dieter Bohlen spielt den Edel-Proll, Zlatko kennt Shakespeare nicht, Atze Schröder, Erkan, Stefan, Tom Gerhardt: überall wird schamlos rumgeumpft und rumgenaddelt. Proll ist „kultig“. Wie konnte das passieren? Der Untergang des Abendlandes? Oder bloß entspanntes Spiel mit kulturellen Chiffren?
 
Früher hat man sich geschämt, ein Proll zu sein, wenn man denn überhaupt wusste, dass man einer ist. Für Intellektuelle ist der "Proll" immer noch der Inbegriff des gesellschaftlich Inakzeptablen, der unkultivierte, ungebildete, rohe Dummkopf, die breite Masse, das doofe Volk. Heute, in Zeiten von Massenkultur und „Unterschichtsfernsehen“, ist der Proll selbstbewusst, sogar selbstironisch.

Wer sind eigentlich heute "Prolls", was für ein Selbstverständnis, was für eine Ästhetik haben Gruppen, die Intellektuelle als "Prolls" bezeichnen würden? Was ist die Schönheit des "Vokuhilaoliba"-Looks (Vorne-kurz-hinten-lang-Oberlippenbart)? Warum fährt man tiefergelegte Sportwagen? Und überhaupt, wer hat hier die Definitionsmacht? Wer bestimmt, was Proll ist, und was ist „Proll“ für diejenigen, denen der Begriff zugeschrieben wird?

Das Feature verfolgt die Kulturgeschichte des Klischees „Proll“. Wie hat man die "einfachen Leute" früher wahrgenommen? Wie konnte der ehrenwerte Marxsche Proletarier zum belächelten und verachteten "Proll" werden? Wie sahen die Bilder vom "einfachen Volk" in der DDR aus, die das Proletarische zumindest in der offiziellen Phraseologie glorifizierte? Wie hat der Proll in der bundesrepublikanischen Geschichte zu seinem Selbstbewusstsein gefunden? Wie, wann und warum sind die bürgerlichen Eliten dazu übergegangen, sich selbst als bedrohte Minderheit zu betrachten, sich „auf verlorenem Posten“ in einem Ozean dümmlich-proletarischer Massenkultur zu positionieren? Und andererseits, wie ist es mit der Sehnsucht nach dem Proletarischen als dem Unverfälschten, Authentischen?

Moderator Christopher, Wetterfee Nadine und Reporter Theodor des fiktiven Radiosenders „Proll FM“ nehmen uns mit auf einen Höllentrip durch Vorstadtdiskotheken, Mantaclubs und RTL-Blabla.